Leider hat sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen schrecklichen Taten an jüdischen Menschen der Antisemitismus nur vorübergehend gelegt. Zwar kann man heute kaum noch von einem »christlichen« Land reden, wenn man über Deutschland spricht – der Judenhass aber, der sich latent gegen alle Juden richtet, äußert sich immer heftiger in Form einer angeblich »berechtigten Kritik« am israelischen Verhalten gegenüber den Palästinensern.
Zur Unterscheidung zwischen legitimer Kritik und Antisemitismus kann man die sogenannte 3-D-Regel von Nathan Sharansky heranziehen: Wer Juden und Israel dämonisiert, delegitimiert und Doppelmoral walten lässt, überschreitet die Grenze zum Antisemitismus. Oder wie es Henryk M. Broder formuliert: »Wer Juden etwas übel nimmt, das er Nichtjuden nicht übelnimmt, ist ein Antisemit.«
Nach diesen Definitionen ist Antisemitismus im kompletten Spektrum politischer und
weltanschaulicher Ansichten zu beobachten. Charlotte Knoblauch, die frühere Präsidentin
des Zentralrats der Juden, sagte: »Antisemitismus wuchert an den schmutzigen Rändern
rechts und links, aber er keimt auch in der bürgerlichen Mitte auf«. Antijüdische
Schmierereien und Schändungen, Zuschriften und Anrufe seien Alltag. Im Internet kenne
der Hass keine Grenzen und Hemmungen mehr.
Wolfgang Gedeon, Abgeordneter der AfD, vertitt in seinen Veröffentlichungen antisemitische
Verschwörungstheorien und prangerte die Angriffe der israelischen Armee auf Gaza als
Menschenrechtsverletzungen an, während er die Raketenangriffe auf Israel verschweigt.
Die NPD spricht auf ihrer Internetseite gar von einer »mörderischen Apartheidspolitik
Israels gegenüber den Palästinensern.« Und sie verkünden, »dass wir seitens der Presse
auch in Bezug auf den ›jüdischen Staat‹ belogen und hinters Licht geführt werden. Es
geht hier nicht um kleine Lügen, es geht um Krieg und unzählige Menschenleben. Gut
70 Jahre nach Kriegsende ist es dringend nötig, sich von ewiger Schuld loszusprechen«.
Ähnlich klingt es auch unter Linksextremen, Kommunisten und Anhängern der Partei »Die
Linken«, wo man sich besonders gerne Free-Palestine-Demontrationen anschließt und
es in Aufrufen zu einer Kundgebung 2014 hieß: »In den vergangenen Wochen haben die
Angriffe der israelischen Armee auf die palästinensische Zivilbevölkerung zugenommen.
Während die Bevölkerung im von der Welt abgeschotteten Gaza unter Bombardierungen
leidet und hohe Opferzahlen beklagen muss, hat die israelische Armee über Hebron eine
Ausgangssperre verhängt und bei Hausdurchsuchungen mehrere Menschen verletzt und getötet.«
– Auch hier kein Wort darüber, dass den Militäraktionen der Israelis zahllose Raketenangriffe
und Terroraktivitäten vorausgingen.
Der linke Journalist Jakob Augstein schrieb, dass »die Regierung Netanjahu die ganze Welt am Gängelband eines anschwellenden Kriegsgesangs« führt und dass die jüdischen Lobbygruppen wesentlichen Einfluss auf die amerikanischen Präsidentschaftswahlen gehabt hätten.
»Applaus für Antisemitismus« lautete die Überschrift eines Artikels des Tagesspiegels
im Juli 2016 über die Rede des Palästinenserführers Abbas im EU-Parlament. Dieser
erzählte, Rabbiner hätten dazu aufgerufen, den Palästinensern das Wasser zu vergiften«.
Eine Lüge, wie er später sogar zugab. Die Parlamentarier applaudierten trotzdem und
SPD-Politiker Martin Schulz nannte das Ganze eine »inspirierende Rede«. Am gleichen
Tag entschied sich Großbritannien übrigens für den Brexit.
Sehr bedenklich war es auch, als Außenminister Sigmar Gabriel bei einem Israel-Besuch
sogenannte »Menschenrechtsorganisationen« treffen wollte und Netanjahu als Reaktion
darauf ein geplantes Treffen absagte. Bei »Breaking the Silence« handelt sich um eine
Organisation, die regelmäßig die israelische Armee angeblicher Kriegsverbrechen bezichtigt
und dabei unwahre Berichte oder nicht nachweisbare Fälle angeführt hat. Auch die immer
wieder als alternativlos angeführte Zwei-Staaten-Lösung und die überzogene Kritik
an der Siedlungspolitik sind, nach der oben genannten 3-D-Regel beurteilt, schon an
der Grenze zum Antisemitismus. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich während
des Eklats im April 2017 hinter ihren Außenminister.
Als US-Präsident Donald Trump im Dezember 2017 Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte,
distanzierten sich deutsche Regierungsvertreter offiziell davon und unterstützten
wenig später eine von der Türkei und vom Jemen (!) in die UN-Vollversammlung eingebrachte
Resolution, die die US-Entscheidung verurteilte.
Die weltweite BDS-Kampagne (»Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen«), die Israel
der Apartheid beschuldigt und beklemmend an die Nazi-Parole »Kauft nicht bei Juden!«
erinnert, erfreut sich auch in Deutschland einer gewissen Beliebtheit und hat zahlreiche
Aktivisten, wenn auch keine so prominenten Persönlichkeiten wie den britischen Sänger
Roger Waters.
Unter Muslimen ist Antisemitismus besonders stark verbreitet. »Jude« ist unter muslimischen Jugendlichen zum gängigen Schimpfwort geworden. Verschwörungstheorien über die »Herrschaft der Juden« oder ihre aktive Rollen bei der Finanzkrise oder bei den Anschlägen am elften September und die Behauptung, die Juden steuerten die USA und ihre Politik, sind unter Zuwanderern aus muslimischen Ländern sehr verbreitet. Auch Stereotype wie »Juden sind dreckig, betrügerisch, manipulativ und geldgierig« sind nicht selten und werden zumeist durch die Familie, arabische Medien und auch Moscheen vermittelt. Dies schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung.
Antisemitismus und Verschwörungstheorien gehören in manchen muslimischen Familien
zur Erziehung, sagt der Palästinenser Ahmad Mansour, der in Berlin gegen die Radikalisierung
von Muslimen kämpft. Er befürchtet, dass der Hass gegen Juden auch in Deutschland
immer häufiger in Gewalt umschlagen könnte.
Bei Demonstrationen in Berlin wie zuletzt gegen den Gazakrieg oder die Anerkennung
Jerusalems durch Präsident Trump kam es zu Sprechgesängen wie »Jude, Jude, feiges
Schwein, komm heraus und kämpf allein« oder »Hamas, Hamas, Juden ins Gas«. Es ist
noch kaum abzuschätzen, wie stark der Judenhass zugenommen hat, seit mit der Flüchtlingswelle
viele Menschen nach Deutschland kommen, denen Judenhass oft mit der Muttermilch eingeflößt
wurde.
Mitten in Europa hat der Antisemitismus mittlerweile so verheerende Auswirkungen, dass eine Aliya aus Frankreich nach Israel stattfindet: Juden fliehen in ihre Heimat Israel.
Manche arabische Staaten verweigern Reisenden mit einem israelischen Stempel im Reisepass die Einreise. Kuwait Airways lehnte 2017 die Beförderung eines israelischen Passagiers von Deutschland aus ab. Das Landgericht in Frankfurt am Main sah darin keine Diskriminierung und keinen Antisemitismus!