Einzigartiges Israel

Die Geschichte der christlichen Gemeinschaften im Lande Israel beginnt mit dem Leben und Wirken Jesu von Nazareth. Nach seinem Tod blieb die frühe urchristliche Gemeinde in und um Jerusalem bis zum Wiederaufbau Jerusalems als römische Stadt unter dem Namen Aelia Capitolina (135 n. Chr.) eine juden-christliche Gemeinde.

Das Grab Jesu in Jerusalem ist das Pilgerziel von Christen aller Denominationen weltweit.
Das Grab Jesu in Jerusalem ist das Pilgerziel von Christen aller Denominationen weltweit.

Nach diesem Zeitpunkt waren die Mitglieder der einheimischen Kirche insgesamt Heidenchristen. Bis zu den frühen Ökumenischen Konzilen blieb die Einheit und Einheitlichkeit der Gemeinden gewahrt. Zur Zeit der muslimischen Eroberung des Landes hatte sich die Kirche im Osten bereits in verschiedene Richtungen aufgespalten, doch teilten sie auch weiterhin die Heiligen Stätten miteinander. Erst mit der Errichtung des Königreiches der Kreuzfahrer und der Vorherrschaft (praedominium) der (lateinischen) Kirche des Westens kam es zu Konflikten um die Heiligen Stätten, die auch unter der Herrschaft der Mamelucken und Osmanen nicht gelöst wurden und bis zur Verkündigung des Status quo im 19. Jahrhundert andauerten. »Dieser Status quo stammt aus dem Jahr 1852. Der osmanische Sultan wollte damals als weltlicher Herrscher den Rangeleien der Kirchen um die heiligen Stätten ein Ende bereiten und entschied einfach, dass alles genau so zu bleiben habe, wie es zu diesem Zeitpunkt war.« (1)

Glaubensinhalte

Aufgrund der Vielzahl seiner Gemeinschaften und Strömungen mit den unterschiedlichsten Ausprägungen fällt eine einfache Definition des heutigen Christentums schwer. Deshalb empfiehlt sich ein Blick in das Neue Testament und auf die ersten christlichen Gemeinden. Er erlaubt die Sicht auf die Ursprünge.

Ohne die in zwei Jahrtausenden durch Kirchen geschaffenen Traditionen, Rituale, Institutionen und Glaubenspraktiken erscheint dieser Ausblick als geradezu einfach: Das Geheimnis des Evangeliums, das gerade Gebildeten und Einflussreichen zu schaffen machte. Sollte denn die Vergebung der Sünden und damit die Versöhnung und Basis der Gemeinschaft mit Gott auch dem »einfachen Mann« gelten?

Die ersten Christen beriefen sich auf die Aussagen Jesu. Sie glaubten, dass er der verheißene Messias war und dass er sie von ihren Sünden, also dem sinnlosen Trachten in der Gottferne, befreit. Bestätigung fanden sie in der Umwandlung ihres Lebens durch die Macht des Heiligen Geistes. Sie waren erfüllt mit Hoffnung auf das Ewige Leben. Sie nahmen ethische Maßstäbe an, nach denen aus eigener Kraft nicht zu leben war. Sie betonten ihre Fürsorge für andere. Aber überdies wussten sie sich in allen Dingen ihrem Herrn Jesus Christus verpflichtet.

Einfachheit, Gemeinschaft, Evangelisation und Liebe waren die Merkmale der ersten Christenheit. Sie war einfach, weil keine formale Organisation zu unterhalten war. Es wurde eine leicht verständliche Lehre verkündigt und Vorhaben der Gemeinde durch persönliche Gaben finanziert. Jeder, der den Glauben an Christus mit der Taufe besiegelte, wurde Mitglied der christlichen Gemeinde und damit einer verbindlichen Gemeinschaft, in der nicht nach Rasse, Nationalität, Geschlecht, gesellschaftlichem Status, Sklaverei oder Freiheit getrennt wurde. Gemäß des Missionsauftrages wandten die ersten Christen viel Kraft daran, das Evangelium in alle Welt denen zu verkünden, die es hören wollten.

Das Wachstum der frühchristlichen Bewegung lässt sich letztlich nur vom Glauben an den auferstandenen Christus her erklären. Ohne die Auferstehung hätte es keine christliche Gemeinde geben können. Die Christen waren überzeugt, dass ihr Herr den Tod überwunden hatte und vielen von ihnen persönlich erschienen war.

Nur dieser Glaube erklärt, wie aus der kleinen und demoralisierten Gruppe bei der Kreuzigung Jesu die Gemeinde entstand, die alle Hindernisse auf dem Weg ihrer weltweiten Mission überwunden hat. Aus den niedergeschlagenen Jüngern wurden Menschen, die eine der dynamischsten Bewegungen der Geschichte einleiteten.

Gebet

Das Gebet in der Bibel ist ein freiwilliges Gebet, kein Pflichtgebet. Es ist ein persönliches Gespräch mit Gott und ein großes Vorrecht: Der Mensch als Sünder ist nicht würdig, vor Gott zu treten. Nur weil Jesus den Betenden vor Gott vertritt und ihn reinigt von »aller Ungerechtigkeit« (1. Johannes 1,9), darf er vor Gott treten, vor den »Thron der Gnade« (Hebräer 4,16).

Der Heilige Geist bringt in einem Menschen den Wunsch hervor, sich im Gebet mit allen Anliegen an Gott zu wenden. Jeder, der beten möchte, kann sich jederzeit und überall an Gott wenden. Weil Gott der Vater seiner Kinder ist, erhört er ihre Bitten. Gottes Kinder können sich an Gott mit der vertrauten Anrede »Lieber Papa« (»Abba, lieber Vater«, Römer 8,15) wenden. Was könnte größere Nähe, Vertrautheit, Fürsorge und Liebe ausdrücken?

Nirgends in der Bibel gibt es Anweisungen, wie oft und mit welchen Formulierungen ein Christ zu beten hat. Es gibt zwar Beispiele für Gebetstexte wie die Psalmen oder Jesu Gebete – vor allem das Vaterunser –, aber keine Bestimmungen, die für alle Christen gelten. Es gibt keinen Ort, keine Zeit, keine Anzahl der Gebete, keine Körperhaltung und keine Gebetsform, die beachtet werden müsste, um das Gebet angenehm vor Gott oder »gültig« zu machen. Entscheidend ist die innere Einstellung des Beters, nicht seine Worte.

Jesus selbst verwirft die Vorstellung, das Gebet müsse in eine bestimmte Richtung oder an einem bestimmten Ort gesprochen werden (Johannes 4,21). Jesus selbst ist der Weg zu Gott, aber die Einhaltung einer bestimmten Gebetsrichtung kann niemand näher zu Gott bringen. Eine rituelle Waschung macht nicht rein vor Gott: In der Bibel kann Reinheit nur durch Blutvergießen erreicht werden (Hebräer 9,22), und zwar nur durch das Blut Christi (Hebräer 10,4). Diese Reinheit steht jedem zu, der die Erlösungstat Jesu Christi für sein Leben annimmt.

Die orthodoxen Kirchen

Die orthodoxe Kirche (auch als Ostkirche oder griechisch-orthodoxe Kirche bezeichnet) besteht aus allen denjenigen Kirchen, die den Ehrenprimat, also die bevorzugte Stellung des Patriarchen von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, anerkennen. Historisch hat sich die orthodoxe Kirche aus den Kirchen des oströmischen oder byzantinischen Reiches entwickelt.

Das griechisch-orthodoxe Patriarchat betrachtet sich als die Mutterkirche von Jerusalem, deren Bischof die Patriarchenwürde durch das Konzil von Chalcedon, wahrscheinlich nach der altgriechischen Stadt Kalchedon am Bosporus, im Jahre 451 erhielt. Seit 1054 liegt das griechisch-orthodoxe Patriarchat mit Rom im Schisma, d.h. in einer aus kirchenrechtlichen Gründen entstandenen Kirchenspaltung. 1964 kam es jedoch in Jerusalem zu einem historischen Treffen zwischen Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras.

Nach der Eroberung durch die Kreuzfahrer im Jahre 1099 wurde das (orthodoxe) Patriarchat von Jerusalem, das sich ohnehin bereits im Exil befand, nach Konstantinopel verlegt. Die ständige Residenz des Patriarchen in Jerusalem wurde erst wieder 1845 erneuert.

Seit 1662 werden die orthodoxen Interessen im Heiligen Land von der Bruderschaft des Heiligen Grabes wahrgenommen, die den Status der orthodoxen Kirche an den Heiligen Stätten zu sichern und den griechischen Charakter des Patriarchats zu wahren suchte.

In den Gemeinden der Ostkirche wird hauptsächlich Arabisch gesprochen. Den Gemeindedienst versehen arabische, verheiratete Priester und Mitglieder der Bruderschaft des Heiligen Grabes. Die Mitgliederzahlen liegen bei zirka 120 000 in Jerusalem, Galiläa, Judäa, Samaria und Gaza.

Zwei weitere historische orthodoxe Nationalkirchen sind ebenfalls im Lande vertreten: die russische und die rumänische. Infolge ihrer Verbindung mit der griechisch-orthodoxen Kirche unterstehen sie dem griechisch-orthodoxen Patriarchat.

Die russisch-orthodoxe Mission wurde 1858 in Jerusalem errichtet. Doch russische Christen waren bereits im 11. Jahrhundert, einige Jahre nach der Christianisierung Kiews, zu Besuchen ins Heilige Land gekommen. Derartige Besuche wurden in den folgenden 900 Jahren fortgesetzt. Sie erreichten ihren Höhepunkt in den großen jährlichen Pilgerfahrten des späten 19. Jahrhunderts, die bis zum Ersten Weltkrieg andauerten und mit der russischen Revolution ein Ende fanden.

Seit 1949 liegt der Eigentumsanspruch auf den Besitz der russischen Kirche auf die Territorien, die zu jener Zeit zum Staatsgebiet Israels gehörten, bei der russisch-orthodoxen Mission (Patriarchat von Moskau); der Anspruch auf den Kirchenbesitz in Gebieten, die zu jenem Zeitpunkt unter jordanische Verwaltung fielen, verblieb bei der russisch-kirchlichen Mission, die die russisch-orthodoxe Kirche im Exil vertritt. Beide Missionen werden jeweils von einem Archimandriten geleitet, der Vorsteher mehrerer Klöster, dem eine Zahl von Mönchen und Nonnen zur Seite stehen.

Eine Mission der rumänisch-orthodoxen Kirche wurde 1935 eingerichtet. Sie wird von einem Archimandriten geführt und besteht aus einer kleinen Gemeinschaft von Mönchen und Nonnen in Jerusalem.

Armenier, Kopten, Äthiopier und Syrer

Bei den sogenannten nicht-chalcedonensischen Kirchen handelt es sich um Kirchen des Ostens – Armenier, Kopten, Äthiopier und Syrer –, die die Lehrbeschlüsse des Konzils von Chalcedon (451) von den zwei Naturen Christi (vollkommener Gott und vollkommener Mensch) ablehnen. Die nicht-chalcedonensischen Kirchen halten an der monophysitischen Lehre von der einen, göttlichen Natur in Christus fest.

Die armenisch-orthodoxe Kirche reicht bis in das Jahr 301 zurück, in dem die Armenier als erstes Volk das Christentum annahmen. Seit dem 5. Jahrhundert gibt es eine armenische Religionsgemeinschaft in Jerusalem. Armenische Quellen datieren den ersten Patriarchen nach der Ernennungsurkunde des Kalifen Omar an den Patriarchen Abraham im Jahr 638. Das armenische Patriarchat von Jerusalem wurde 1311 eingerichtet.

Während des 19. Jahrhunderts sowie während und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg wuchs die lokale armenische Gemeinde durch die Aufnahme der Überlebenden der Massaker durch die Türken in Anatolien, insbesondere derjenigen von 1915. Vor 1939 zählte die Gemeinde über 15.000 Mitglieder und war damit die drittgrößte christliche Gruppe im Lande. Heute leben ungefähr 4000 Gemeindemitglieder – in Jerusalem, Haifa, Jaffa und Bethlehem.

Ein Mönch auf dem Ölberg: Im Heiligen Land gibt es Christen aller Schattierungen.
Ein Mönch auf dem Ölberg: Im Heiligen Land gibt es Christen aller Schattierungen.

Die koptisch-orthodoxe Kirche hat ihre Wurzeln in Ägypten, wo große Bevölkerungsteile während der ersten Jahrhunderte christlich wurden. Nach der Tradition kamen die Kopten mit Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, nach Jerusalem. Die koptische Kirche übte früh erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Mönchstums in der Judäischen Wüste aus. Die Gemeinschaft blühte während der Mameluckenzeit (1250–1517) und noch einmal unter Mohammed Ali im Jahre 1830. Seit dem 13. Jahrhundert wird der (koptische) Patriarch von Alexandria in Jerusalem durch einen ortsansässigen Erzbischof repräsentiert. Die Gemeinde hat etwas mehr als 1000 Mitglieder – in Jerusalem, Bethlehem und Nazareth.

Die äthiopisch-orthodoxe Kirche hat mindestens seit dem Mittelalter eine Gemeinde in Jerusalem. Historiker der frühen Kirche erwähnen bereits im 4. Jahrhundert die Präsenz äthiopischer Pilger im Heiligen Land. Sicher ist, dass die äthiopische Kirche in den folgenden Jahrhunderten wichtige Rechte über die Heiligen Stätten besessen hatte, die sie nahezu vollständig unter der Herrschaft der Osmanen – vor der Erklärung des Status quo – verlor.

Heute ist die äthiopische Kirche in Israel eine kleine Gemeinschaft, die von einem Erzbischof geleitet wird. Sie besteht im wesentlichen aus einigen Dutzend Mönchen und Nonnen (obwohl auch die Laiengemeinschaft wächst), die in der Altstadt und in der Nähe der äthiopischen Kirche in West-Jerusalem leben. Seit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Äthiopien und Israel hat die Zahl der Pilger zugenommen. Fast 1000 äthiopische Pilger nahmen 1995 an den Zeremonien der Heiligen Woche teil.

Die syrisch-orthodoxe Kirche ist die Nachfolgerin der antiken Kirche von Antiochia und damit eine der ältesten christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten. Zu ihren Traditionen gehört der kontinuierliche Gebrauch der alt-syrischen Sprache (West-Aramäisch) in Liturgie und Gebet. Die syrisch-monophysitische Kirche ist auch unter dem Namen der Jakobiten bekannt (nach Jakob Baradai, der die Kirche im 6. Jahrhundert organisierte). Ihr Patriarch residiert in Damaskus. Seit 793 (und seit 1471 kontinuierlich) gibt es syrisch-orthodoxe Bischöfe in Jerusalem. Heute wird die lokale Gemeinde von einem Bischof geleitet, der in Jerusalem im Kloster zum Heiligen Markus aus dem 7. Jahrhundert residiert. Die Gemeinde zählt zirka 2000 Mitglieder, von denen die Mehrheit in Jerusalem und Bethlehem lebt.

Die Apostolische Kirche des Ostens hat ihre Ursprünge in der Grenzregion zwischen der Türkei, dem Iran und dem Irak. Ihre Liturgie- und Gebetssprache ist das Ost-Aramäische, also eine Form der alt-syrischen Sprache. Seit 1917 residiert ihr Patriarch in Chicago und Kerala (Indien). Die Kirche ist seit dem 5. Jahrhundert in Jerusalem präsent. Heute wird sie durch einen Erzbischof in der Stadt vertreten.

Ein Lichtstrahl zeigt auf Jesus Christus: eine der Kuppeln der Grabeskirche.
Ein Lichtstrahl zeigt auf Jesus Christus: eine der Kuppeln der Grabeskirche.

Katholische Christen

Trotz wechselnder Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel (heute: Istanbul) gab es vor der Zeit der Kreuzfahrer keinen Versuch, im Heiligen Land eine westliche, vom orthodoxen Patriarchat unabhängige Kirche zu errichten. Erst während der Kreuzfahrerzeit bestand zwischen 1099 und 1291 das lateinische Patriarchat von Jerusalem, das erst 1847 seinen Dienst wieder aufnehmen konnte.

In der Zwischenzeit lag die Verantwortung für die lokalen Gemeinden bei dem Franziskanerorden, der seit dem 14. Jahrhundert der Kustos, also der Vorsteher des Ordens, der eine Art Botschafter des Vatikans für die Heiligen Stätten der Lateiner im Heiligen Land war.

Heute wird die lateinische Kirche in Jerusalem von einem Patriarchen geleitet, dem drei Vikare (in Nazareth, Amman und Zypern) zur Seite stehen. Die Gemeinschaft in Israel zählt etwa 20.000 Mitglieder (mit weiteren 10.000 in den Palästinensergebieten).

Die Kirche der Maroniten ist eine christliche Gemeinschaft syrischen Ursprungs, deren Mitglieder heute mehrheitlich im Libanon leben. Die Maroniten sind seit 1182 formal an die römisch-katholische Kirche angegliedert. Sie ist die einzige Ostkirche, die völlig katholisch ist. Als eine unierte Körperschaft (eine an die römisch-katholische Kirche angegliederte Ostkirche mit jeweils eigener Sprache, eigenem Ritus und kanonischen Gesetzen) besitzen die Maroniten eine eigene Liturgie, die ihrem Wesen nach ein antiochenischer Ritus in alt-syrischer Sprache ist. In Israel gibt es zirka 6700 Maroniten, von denen die meisten in Galiläa leben. Das maronitische Patriarchalvikariat in Jerusalem wurde 1895 gegründet.

Die griechisch-melchitische Kirche entstand 1724 in der Folge eines Schismas, d.h. einer aus kirchenrechtlichen Gründen entstandenen Kirchenspaltung, in der griechisch-orthodoxen Kirche von Antiochia. Der Begriff »Melchiten« reicht ins 4. Jahrhundert zurück und bezieht sich auf die einheimischen Christen, die die Glaubenssätze des Konzils von Chalcedon annahmen und somit dem »kaiserlichen« Sitz von Konstantinopel verbunden blieben.

Eine griechisch-katholische Erzdiözese wurde 1752 in Galiläa gegründet. Zwanzig Jahre später wurden die griechischen Katholiken in Jerusalem dem melchitischen Patriarchen von Antiochia unterstellt, der in Jerusalem durch einen Patriarchalvikar vertreten wird. Die gegenwärtige Mitgliederzahl der griechisch-katholischen Diözese in Galiläa beträgt zirka 50.000; die Diözese von Jerusalem hat etwa 3000 Mitglieder.

Die syrisch-katholische Kirche, eine unierte Absplitterung der monophysitischen syrisch-orthodoxen Kirche, ist seit 1663 an Rom angegliedert. Die syrischen Katholiken haben ihr eigenes Patriarchat (Sitz in Beirut). Seit 1890 ist ein Patriarchalvikar in Jerusalem als geistlicher Betreuer für eine kleine einheimische Gemeinde von 350 Mitgliedern in der Stadt und in Bethlehem zuständig. Im Juli 1985 konnte die Gemeinde ihre neue Patriarchalkirche in Jerusalem weihen, die dem Heiligen Thomas, dem Apostel der Völker in Syrien und Indien, gewidmet ist.

Die armenisch-katholische Kirche trennte sich von der armenisch-orthodoxen Kirche im Jahre 1741, obwohl bereits zuvor eine armenische Gemeinschaft in Cilicien (im Süden Anatoliens) seit der Kreuzfahrerzeit mit Rom in Kontakt gestanden hatte. Der armenisch-katholische Patriarch residiert in Beirut, weil die Behörden des Osmanischen Reiches seine Residenz in Konstantinopel ablehnten. Ein Patriarchalvikariat wurde 1842 in Jerusalem errichtet. Die armenisch-katholische Gemeinde im Heiligen Land hat ungefähr 900 Mitglieder, die in Jerusalem, Bethanien, Ramallah, Haifa und Gaza leben. Trotz der Union mit Rom unterhält die Kirche gute Beziehungen zur armenisch-orthodoxen Kirche. Beide Kirchen arbeiten zum Wohl der gesamten Gemeinschaft eng zusammen.

Die koptisch-katholische Kirche ist seit 1741 mit der römisch-katholischen Kirche uniert. Doch erst 1955 ernannte der unierte koptisch-katholische Patriarch von Alexandria einen Patriarchalvikar in Jerusalem, wo die Gemeinschaft heute ungefähr 35 Mitglieder hat.

Die chaldäisch-katholische Kirche ist als unierte Kirche die Nachfolgerin der alten nestorianischen (assyrischen) Kirche. Ihre Mitglieder haben die altsyrische Sprache in Liturgie und Gebet bewahrt. Die Kirche wurde 1551 gegründet. Ihr Patriarch residiert in Bagdad. Die Gemeinschaft im Heiligen Land zählt nur wenige Familien. Trotzdem besitzt die chaldäisch-katholische Kirche den Status einer »anerkannten« religiösen Gemeinschaft in Israel. Seit 1903 werden die Chaldäer in Jerusalem durch einen nicht ansässigen Patriarchalvikar vertreten.

Von größter Bedeutung für die katholischen Kirchen im Heiligen Land war die Unterzeichnung eines Grundlagenabkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel am 30. Dezember 1993. Das Abkommen führte zur Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten einige Monate später.

Papst Johannes Paul II. brach am 20. März 2000 zur historischen Reise ins Heilige Land auf. Nach dem Besuch des Bergs Nebo und des östlichen Jordanufers reiste das Oberhaupt der katholischen Kirche nach Israel weiter. Obwohl der gebrechliche, damals 79-jährige Papst in seinen 22 Dienstjahren 120 Länder besucht hatte, war er bisher noch nie nach Israel gereist. Dies hatte hauptsächlich politische Gründe, da der Vatikan erst wenige Jahre zuvor Israel als souveränen Staat anerkannte. Papst Paul VI., der das Heilige Land 1964 besuchte, erwähnte Israel mit keinem Wort! Nach Ansicht vieler Israelis, Politiker ebenso wie jüdischer Geistlichen, bedeutete die Reise Johannes Pauls II einen Wendepunkt in der Beziehung zwischen Juden und Christen und den Aufbruch in eine neue, brüderliche Zukunft. Der berühmte israelische Schriftsteller Amos Oz sagte: »Es war eine Reinigung.«

In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem entschuldigte sich der Papst für die Verbrechen der katholischen Kirche an jüdischen Menschen und (indirekt) für das Schweigen im Dritten Reich und bat um Vergebung:

»Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus versichere ich dem jüdischen Volk, dass die Kirche - allein aus dem Geist der Wahrheit und der Liebe heraus und nicht aus politischen Erwägungen - tieftraurig über den Hass, die Verfolgung und den offen zur Schau getragenen Antisemitismus ist, den Christen jemals und wo auch immer auf der Welt gegen Juden gerichtet haben. Die Kirche lehnt jede Form des Rassismus ab, weil dieser direkt gegen das Abbild unseres Schöpfers gerichtet ist, das sich in jedem Menschen widerspiegelt. An diesem Ort feierlicher Erinnerung bete ich, dass unsere tiefe Anteilnahme für die Tragödie, die den Juden im 20. Jahrhundert widerfahren ist, zu einer neuen Beziehung zwischen Christen und Juden führen wird. Lasst uns eine neue Zukunft bauen, in der es keine antijüdischen Gefühle unter Christen oder antichristliche Gefühle unter Juden gibt, sondern nur gegenseitigen Respekt derer, die an ein und denselben Gott glauben.«

An der Klagemauer bat der Papst ebenfalls auf einem Gebetszettel, den er in die Ritzen der Mauer steckte, um die Vergebung der Sünden der christlichen Kirchen gegenüber dem jüdischen Volk.

Johannes Paul II. besuchte biblische Stätten in Jerusalem, Nazareth, Bethlehem und am See Genezareth. Vor zahlreichen Pilgern hielt er in der Grabeskirche und an weiteren historisch wichtigen Plätzen Heilige Messen ab.

Unter der israelischen Bevölkerung schuf der Papst ein nie gekanntes Vertrauen in die Christenheit und lenkte die Aufmerksamkeit indirekt auch auf Jesus Christus: Die Medien berichteten anlässlich der Papstreise sehr viel über das Leben und Wirken Jesu, was von messianischen Gemeinden in Israel begrüßt wurde.

Die Palästinenser waren damals eher enttäuscht vom Papstbesuch: Zwar betonte er ihr Recht auf Heimat, doch ging er wenig auf politische Provokationen durch Demonstrationen, Fahnen und Luftballons ein. Vor allem zeigte er sich als Judenfreund und sein Besuch galt in erster Linie Israel.

Papst Benedikt XVI. besuchte 2009 Israel und die Gedenkstätte Yad Vashem. Dieser Besuch wurde als zu unpersönlich kritisiert, unter anderem von Parlamentspräsident Rivlin: »Er kam und sprach zu uns, als ob er ein Historiker wäre, jemand, der von der Seitenlinie zuschaut.«

Am Jahresbeginn 2011 kam er ein zweites Mal nach Israel, was als sehr wertvoll bewertet wurde. Er sagte: »Ich bin als ein Freund der Israelis gekommen, aber ich bin auch ein Freund der Palästinenser.«

Papst Fransiskus war 2014 in Israel und bemühte sich um Versöhnung von Muslimen, Juden und Christen.

Für 2018 wurde Papst Fransiskus wieder nach Israel eingeladen: Anlässlich des Starts der Radrundfahrt Giro d’Italia in Jerusalem!

Die protestantischen Kirchen

Die protestantischen Gemeinschaften im Nahen Osten sind relativ jung und reichen nur ins frühe 19. Jahrhundert zurück, als die westliche Mission das Heilige Land »wiederentdeckte«. Absicht dieser Mission war es, die mehrheitlich muslimischen und jüdischen Gemeinschaften im Lande zu evangelisieren. Doch nur unter den arabisch sprechenden orthodoxen Gläubigen war diese Missionsbewegung erfolgreich.

Im Jahre 1841 entschlossen sich die Königin von England und der König von Preußen zur Gründung eines gemeinsamen anglikanisch-lutherischen Bistums in Jerusalem. 1886 trennten sich beide Kirchen. Der englische Teil, die Episkopalkirche in Jerusalem und im Nahen Osten (anglikanisch) wurde 1957 ein Erzbistum. Im Januar 1976 kam es zu signifikanten Strukturveränderungen, die das Ende des Erzbistums bedeuteten. Mit der Wahl und Weihe des ersten arabischen Bischofs wurde eine neue Diözese und Kirchenprovinz in Jerusalem und im Nahen Osten gegründet. In dieser Diözese leben heute zirka 4500 Anglikaner (2500 bis 3000 in Israel).

Die Anglikaner bilden die größte protestantische Gemeinschaft im Heiligen Land. Der anglikanische Bischof in Jerusalem hat seinen Sitz in der Kathedrale zum Heiligen Märtyrer Georg in Jerusalem.

Seit ihrer Gründung im Jahre 1886 zog der deutsche Teil, die lutherische Kirche, zunehmend arabische Mitglieder an. Seit 1979 hat die arabischsprechende Gemeinde ihren eigenen Bischof und existiert unabhängig von der deutschen Gemeinde, obwohl beide die Räumlichkeiten der Propstei im Muristan-Viertel der Jerusalemer Altstadt teilen. Die arabische Gemeinde zählt ungefähr 500, die deutsche etwa 200 Mitglieder. Eigentum der deutschen lutherischen Kirche, das von den Briten 1939 konfisziert worden war, wurde 1951 von der israelischen Regierung im Rahmen des Wiedergutmachungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland erworben.

Die norwegische Mission in Israel übergab 1982 die Amtsgewalt und Verwaltung ihrer beiden Missionskirchen in Haifa und Jaffa in die Hände der einheimischen Gemeinden.

Die Baptistenkirche im Heiligen Land hat ihre Anfänge in der Gründung einer Gemeinde in Nazareth im Jahre 1911. Heute sind dem Verband der Baptistenkirchen insgesamt zehn Kirchen und Zentren in folgenden Orten angegliedert: Akko, Kana, Haifa, Jaffa, Jerusalem, Kfar-Yassif, Nazareth, Petach-Tikwa, Rama und Tur‘an. Die Gemeinschaft zählt etwa 900 Mitglieder, von denen die Mehrheit Arabisch spricht.

Die Kirche von Schottland (presbyterianisch) entsandte ihre erste Mission im Jahre 1840 nach Galiläa. Sie blieb in den folgenden hundert Jahren aktiv in den Bereichen der Erziehung und medizinischen Versorgung der Bevölkerung tätig. Heute unterhält die schottische Kirche als kleine, mehrheitlich im Exil lebende Gemeinde im Dienst von Pilgern und Besuchern jeweils eine Kirche und ein Hospiz in Jerusalem und Tiberias. Die unabhängige Edinburgher Medizinische Missionsgesellschaft unterhält in Nazareth ein Lehrhospital für Krankenschwestern.

Die Kirche Gottes (Pfingstkirche) besitzt eine kleine Gemeinde in Jerusalem, Nazareth und der West-Bank (insgesamt 200 Mitglieder) mit einem Internationalen Zentrum auf dem Ölberg.

In den letzten Jahrzehnten wurden darüber hinaus drei kommunale, protestantische Landwirtschaftssiedlungen in verschiedenen Regionen Israels ins Leben gerufen. Kfar Habaptistim, im Norden von Petach-Tikwa, wurde 1955 gegründet und bietet neben der landwirtschaftlichen Arbeit Konferenz- und Ferienlagermöglichkeiten für Baptisten und andere protestantische Gemeinschaften im Land. Nes Amim, in der Nähe von Naharija, wurde von einer Gruppe holländischer und deutscher Protestanten 1963 als ein internationales Zentrum zur Förderung des christlichen Verständnisses Israels ins Leben gerufen. Westlich von Jerusalem wurde 1971 Yad Hashmonah gegründet, ein Gästehaus für christliche Besucher und Pilger aus Finnland.

Neben den bereits genannten Gruppen gibt es in Israel noch eine Vielzahl sehr kleiner protestantischer Konfessionsgruppen.

Grabeskirche

Wenn sechs christliche Denominationen in einem Kirchengebäude untergebracht sind, könnte man eigentlich davon ausgehen, dass sie gemäß der Forderung Jesu dies in einer liebevollen Einheit tun. Um die Grabeskirche in Jerusalem aber werden von nahezu jeder Konfession Besitzverhältnisse angemeldet, die nicht immer in brüderlicher Nächstenliebe ausgehandelt werden:

  1. Zum gemeinsamen Besitz zählt das Christusgrab und der Salbungsstein.
  2. Die griechisch-orthodoxe Kirche besitzt das Langhaus (Kotholikon), die nördliche Hälfte von Golgatha mit darunterliegender Adamskapelle. Des Weiteren das Gefängnis Christi und kleinere Räume in der Rotunde.
  3. Der römisch-katholischen Kirche gehören die südliche Hälfte von Golgatha mit dem Altar der Kreuzannagelung, der Chorraum zwischen Rotunde und Katholikon, die Erscheinungskapelle und der Altar der Maria Magdalena.
  4. Die armenisch-orthodoxe Kirche nimmt für sich die Stelle der drei Marien, die Kapelle der heiligen Helena, einen Raum der Rotunde und eine kleine Kapelle in Anspruch.
  5. Der koptisch-orthodoxen Kirche gehört eine Kapelle in der Nähe des Grabes Christi und zwei Räume.
  6. Die syrisch-orthodoxe Kirche besitzt eine Kapelle in der Rotunde.
  7. Der äthiopisch-orthodoxen Kirche gehört das »Grab des Josef von Arimathäa«.

Da es für die Außenfassade der Grabeskirche keine Regelung gibt, ist eine bauliche Veränderung stets eine Angelegenheit aller Denominationen. Deshalb sieht man auch heute noch die berühmte Leiter, die an das rechte obere Fenster über der Eingangstür angelehnt ist. Es gab wohl schon Beratungen, was mit dieser Leiter geschehen sollte. Da man sich allerdings nie einigen konnte, blieb sie an Ort und Stelle. Und das schon seit geraumer Zeit. Den ältesten Hinweis gibt ein Gemälde, das Ende des 19. Jahrhunderts gemalt wurde, auf dem die Leiter auch schon an dem Fenster lehnt. An exakt derselben Stelle. Inzwischen würde man es wohl gar nicht mehr wagen, diese Leiter zu entfernen.

Ist dieser Zustand der Christenheit in der Grabeskirche ein Bild für die innere Zerstreutheit der Christen? Wann werden Christen die Nachfolge Jesu Christi und die Liebe wieder an die erste Stelle vor den lehrmäßigen Eigenheiten setzen?

Die Krönung dieser blamablen Darstellung der Christen in der Grabeskirche ist, dass der Schlüssel für die einzige Eingangstür seit über 800 Jahren in den Händen von zwei moslemischen Familien ist. Es handelt sich um die Familien Nusseibeh und Dschudeh, die den bislang einzigen Eingang seit der Niederlage der Kreuzritter gegen Sultan Saladin im 12. Jahrhundert hüten. Die Mitglieder dieser Familien wandern jeden Morgen bei Sonnenaufgang zur Grabeskirche, um ihre schwere Holztür zu öffnen. Punkt 20 Uhr am Abend wird das Gotteshaus mit dem 25 Zentimeter langen Schlüssel wieder abgesperrt, danach wird er traditionell wieder im Haus der Nachbarsfamilie Dschudeh abgegeben. Die molemischen Familen treten auch als Schlichter auf, falls es Streitigkeiten unter den »christlichen« Hausherren gibt.

Im Blick auf das Jubiläumsjahr 2000 hat das israelische Tourismusministerium aus Sicherheitsgründen auf eine zweite Tür gedrängt. Die Regierung hätte gerne eine hölzerne Pforte zum neuen Ausgang ausgebaut, die schon zu Zeiten der Kreuzfahrer einmal als Weg nach draußen diente und heutzutage in einen Lagerraum führt. Die armenisch-orthodoxe Kirche lehnte diese Stelle ab und befürwortet statt dessen einen neutralen Standort, wo die drei Haupthüter sich die Aufsicht teilen sollten. Die Armenier wollten einen Ausgang an der Stelle, wo sich heute noch die öffentlichen Toiletten befinden. Dieser Ausgang würde jedoch zur nahegelegenen Moschee führen. Und das wiederum lehnten die Israelis ab.

Inzwischen gleicht die Grabeskirche einer Baustelle, an verschiedenen Stellen wird restauriert und stabilisiert.

Die Grabeskirche in Jerusalem: wahrhaft einzigartig.
Die Grabeskirche in Jerusalem: wahrhaft einzigartig.