Kaum ein Land der Welt kann auf eine so lange, bewegte und gut dokumentierte Geschichte zurückblicken wie Israel. Kein anderer Ort auf der Erde hat wohl mehr Herrscher gesehen und war Schauplatz so vieler Kriege wie dieser schmale Landstrich zwischen Mittelmeer und Jordan. Hier kämpften Kanaaniter, Philister, Perser, Griechen, Römer, Muslime, Kreuzritter, Türken, Franzosen, Briten und nicht zuletzt Juden. Und immer noch ist Israel Zankapfel der Nationen. Ein Blick in die Vergangenheit beleuchtet die Hintergründe, warum noch immer kein Frieden eingekehrt ist und sich heute noch Juden und Araber um dieses Land streiten.
Wie man auch zur Bibel stehen mag, die Geschichte des jüdischen Volkes bis heute kann nicht ohne religiöse Bezüge verstanden werden und ist ohne die Existenz Gottes nicht zu erklären. Die nachfolgende geschichtliche Übersicht verwendet die Bibel als vertrauenswürdige historische Quelle, die aber zu anderen geschichtlichen Zeugnissen und archäologischen Funden kritisch in Bezug gesetzt wird.
Die Erforschung der Menschheitsgeschichte und insbesondere die Datierung von Ereignissen in früh- und vorgeschichtlicher Zeit erweist sich als äußerst komplexes Unterfangen. Oft ergeben sich Diskrepanzen oder weite Interpretationsspielräume zwischen Erkenntnissen aus der Archäologie und biblischen sowie außerbiblischen Überlieferungen. Für frühe Epochen wird es zunehmend schwierig – und im Heiligen Land sind archäologische Textfunde viel seltener als in Ägypten oder im Zweistromland. Und so bleibt die Bibel eine sehr wichtige Informationsquelle, die aber in der modernen Geschichtswissenschaft nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt.
Um eine fortlaufende Chronik zu erhalten, wurde von den Altertumsforschern versucht, gemeinsame Ereignisse in den Darstellungen der verschiedenen antiken Reiche zu identifizieren, um von diesen ausgehend Rückrechnungen vornehmen zu können. Historisch gesichert und fast bis auf das genaue Jahr anerkannt sind derzeit Datierungen seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. Zurück bis etwa 1000 v. Chr. kann noch mit relativ großer Genauigkeit gerechnet werden. Alle älteren Daten jedoch sollten nicht als unumstößlich betrachtet werden, sind in der Forschung teilweise heftig umstritten und könnten durch neue archäologische Entdeckungen revidiert werden.
Während die Ausgräber noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts davon ausgingen, dass man der Bibel in historischer Hinsicht vertrauen kann, glauben die meisten Archäologen heute zunächst einmal nicht an die Zuverlässigkeit der biblischen Berichte – es sei denn, die Wissenschaft fördert Beweise für deren Wahrheit zutage. Renommierte Forscher tun die Geschichten vom Auszug aus Ägypten, von der Einnahme Kanaans und auch vom sprichwörtlichem Reichtum des Königs Salomo als fromme Legenden ab. Beiträge in den Medien stellen regelmäßig grundlegende Erzählungen der Bibel infrage.
Am Beispiel der Eroberung Jerichos wird diese Problematik besonders deutlich: Funde vom Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Vermutung nahegelegt, dass Jericho um 1200 v. Chr. zerstört wurde. Bis heute ist dieser Zeitpunkt das geläufige Datum für die Eroberung durch die Israeliten. Die Bibel aber lässt den Leser eine Zeit um 1400 v. Chr. errechnen. Da nach heutigem Erkenntnisstand die Zerstörungsspuren in Jericho und weiteren Städten des Alten Israel allerdings nicht diesem Datum aus dem biblischen Bericht entsprechen, nehmen viele an, die Bibel idealisiere und übertreibe in ihren Erzählungen.
Aber es gibt Spuren in den ausgegrabenen Ruinen aus der Zeit um 1600 v. Chr., die zur Beschreibung des Alten Testaments sehr genau passen. Eventuelle Fehler, die bei der Datierung jener weit zurückliegenden Periode aufgetreten sein könnten, könnten die scheinbare zeitliche Differenz der Ereignisse überbrücken.
Speziell die ägyptische Chronologie enthält wahrscheinlich Ungereimtheiten von bis zu 200 Jahren. Durch entsprechende Anpassungen in der Datierung der biblischen Ereignisse passen plötzlich sehr viele Funde zu den Angaben der Bibel. Zwar gibt es noch keine endgültige Lösung in Form eines vollständig schlüssigen neuen Datierungsmodells, jedoch intensive Forschungen und eine berechtigte Hoffnung in die geschichtliche Zuverlässigkeit der Bibel.
Neben den Fragen des Exodus und der Einnahme Jerichos würde eine Korrektur der herkömmlichen Chronologie auch für die Zeit von David und Salomo (1000–900 v. Chr.) zu weitgehenden Übereinstimmungen der Heiligen Schrift mit Ausgrabungen in Israel führen. So wurden Funde ägyptischen Ursprungs in Jerusalem entdeckt, die auf König Salomos Frau zurückzuführen sein könnten. Auch Fundamente von Davids Palast wären demnach unweit des Tempelbergs freigelegt worden.